Erklärung zum rechtsterroristischen Anschlag in Hanau

Am 19.02.2020 wurden in Hanau zehn Menschen Opfer eines rechtsterroristischen Anschlags. Ferhat Unvar, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Kalojan Velkov,Vili Viorel Păun, Said Nesar Hashemi, Fatih Saraçoğlu wurden aus dem Leben gerissen, weil ein Rassist seine Worte in Taten übersetzte. Unter den Betroffenen fanden sich Türk*innen, Kurd*innen, Bulgar*innen, Bosnier*innen, Rumän*innen, Afghan*innen, Rom*nja und sie alle waren zugleich Deutsche. Hanau und die anderen Fälle rechtsradikaler Gewalt zeigen uns zweierlei: Nicht alle in unserem Land trifft rechtsradikale Gewalt gleichermaßen. Betroffen und bedroht sind all diejenigen, die von den Rechtsradikalen als Feinde markiert werden. Zugleich geht diese Gewalt und die ständige Bedrohung uns alle an.

Es ist essenziell, Rassismus nicht als „Gift“ zu verstehen, das von außen auf unsere Gesellschaft einwirkt. Vielmehr geht es darum, sichtbar zu machen, wie alltäglich und tiefenwirksam Rassismus in unserer Gesellschaft verankert ist. Als Wissenschaftler*innen positionieren wir uns gegen all jene Akte, die versuchen die Grundidee einer Gesellschaft der Gleichberechtigung zu zerstören. Wir positionieren uns gegen jeden Versuch der Ausgrenzung, gegen jeden Rassismus, gegen jeden Antiziganismus, gegen jeden Antisemitismus und jegliche Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Die Verharmlosung und Pathologisierung menschenfeindlicher Einstellungen als Randphänomen der Gesellschaft verhindert eine aufrichtige Auseinandersetzung mit den Strukturen, die rechtsterroristische Morde ermöglicht haben -- seien es die des NSU, die von Halle, in Istha oder die von Hanau.

Dieser Terror soll Angst bei all jenen schüren, die fürchten müssen ebenfalls zum Ziel zu werden. Die Täter*innen haben gerade dann Erfolg, wenn die Gesellschaft nicht zuhört, wenn sie Geschehenes verdeckt. Kutlu Yurtseven machte dies im Bezug auf den Anschlag in der Keupstraße deutlich. Für Hanau und für Halle heißt dies im Umkehrschluss, dass Solidarität nur dann erfolgreich sein wird, wenn wir den Betroffenen den Raum zum Sprechen lassen. Wenn wir ihnen zuhören und wenn wir ihnen nicht die Deutungshoheit über ihre Angst in unserer Gesellschaft nehmen. (1)

In diesem Sinne möchten wir als Wissenschaftler*innen des Promotionskollegs Rechtspopulistische Sozialpolitik unsere Trauer um all jene ausdrücken, die ermordet wurden. Gegenüber den Angehörigen der Opfer und den Menschen, die von diesem rechtsterroristischen Terror bedroht sind, wollen wir uns solidarisch zeigen. Indem wir auf ihre Anliegen hinweisen, ihre Perspektive auf diese Gesellschaft wahrnehmen, ernstnehmen und wiedergeben.

(1) https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-02/rassismus-hanau-anschlag-rechte-gewalt-wir-sind-hier