Von der Meta- zur Realpolitik?

Bis 2013 hielt sich die „Neue Rechte“ weitestgehend von der bundesdeutschen Parteipolitik fern. Stattdessen bemühte sie sich getreu ihrem „metapolitischen“ Selbstverständnis auf publizistischem Weg um die Beeinflussung von Diskursen. Doch inzwischen sucht sowohl das eher pragmatisch ausgerichtete neurechte Lager um die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF) als auch das militantere Umfeld des „Instituts für Staatspolitik“ (IfS) um den Verleger Götz Kubitschek den Schulterschluss mit der Alternative für Deutschland (AfD).

Die JF unterstützt die moderateren Kräfte innerhalb der AfD bereits seit deren Gründung  im Jahr 2013 und gilt Beobachter*innen zufolge inzwischen als „inoffizielle Parteizeitung“. Der Wochenzeitung geht es dabei in erster Linie darum, ihre Positionen über die Vertretung der AfD im Parlament und eine perspektivisch erhoffte Regierungsbeteiligung der Rechtspartei salonfähig zu machen, um so die Entstehung eines gegenhegemonialen rechten Netzwerkes zu fördern. Von den offen völkischen Positionen des „Flügels“, einer innerparteilichen Gruppierung der AfD um Björn Höcke, grenzt sich die Wochenzeitung hingegen regelmäßig explizit ab.

 

Richard Siegert während seines Vortrages

Die Verbindungslinien zwischen JF und AfD reichen bis in den Bundestag hinein, wo mehrere Abgeordnete der Partei, darunter auch die Co-Vorsitzende der Fraktion Alice Weidel, ehemalige und aktuelle Autor*innen des Wochenblattes beschäftigen (auf der Website der Taz findet sich ein detaillierter Überblick über diese und weitere Verstrickungen von AfD und verschiedenen anderen (neu)rechten Akteur*innen).

Neben dem JF-Lager hat nach anfänglichen Vorbehalten mittlerweile auch das Umfeld des IfS die AfD für sich entdeckt – und zwar insbesondere jenen Rechtsaußen-Flügel der Partei, von dem die JF sich zu distanzieren versucht. Nimmt man die Äußerungen von Leuten wie Kubitschek und Höcke ernst, geht es diesem zweiten Lager nicht um Anschlussfähigkeit in der Mehrheitsgesellschaft und einen parlamentarischen Marsch durch die Institutionen.

Als „fundamentaloppositionelle Bewegungspartei“ habe die AfD, wie Höcke während seiner berüchtigten Dresdner Rede im Januar 2017 betonte, vielmehr die Aufgabe „diesen Staat, den wir erhalten wollen, vor den verbrauchten politischen Altparteien zu schützen, die ihn nur missbrauchen, um ihn abzuschaffen.“ Höcke geht es nach eigener Aussage in erster Linie darum, die Partei in den Dienst außerparlamentarischer Bewegungen wie PEGIDA zu stellen.

Kubitschek und das IfS-Umfeld wollen die Entwicklung der AfD aktiv in eine solche Richtung mitgestalten. Für den Oberstleutnant der Reserve ist die AfD inzwischen „innerhalb eines strukturell immer stabiler werdenden Widerstandsmilieus der parteipolitische Baustein.“ Dieses Milieu umfasst auch für Kubischek außerparlamentarische Massenbewegungen wie PEGIDA, wo sowohl er selbst als auch Höcke schon mehrfach als Redner aufgetreten sind.

Die Differenzen zwischen den beiden Lagern der „Neuen Rechten“ sind jedoch eher strategischer denn ideologischer Natur. Denn sowohl die JF als auch das IfS verfolgen wie schon ihre Vordenker der „Konservativen Revolution“ das Projekt eines autoritären Staatsumbaus. Vor dem Hintergrund dieses Vorhabens und der aktuellen Bündelung verschiedener rechter Kräfte durch die AfD, deren Aufstieg ohne die jahrelangen Vorarbeiten der „Neuen Rechten“ kaum denkbar gewesen wäre, sollte das Potenzial einer völkisch-autoritären Massenbewegung – manche Auror*innen sprechen auch von Faschisierung – nicht unterschätzt werden.